Was wäre ein besserer Moment zum Verfassen dieser Zeilen als eine kühle Oktobernacht im Hafen von Strande? Entspannte Musik, ein kühles Bier in der Hand und neben mir der Heizlüfter, der die Temperatur in Jane`s Kajüte um ein paar Grad über die draussen vorherrschenden herbstlichen 6 Grad zu heben vermag. Für die Nacht liegen zwei in der Arktis erprobte Schlafsäcke bereit – so schlimm kann es also nicht werden… Ganz im Gegenteil – es ist immer wieder ein besonderer Moment an Bord zu kommen und nach der langen Reise im Sommer fühle ich mich hier irgendwie noch immer richtig zu Hause. Nur die analoge Borduhr scheint noch nicht im Herbst angekommen zu sein – sie beharrt noch hartnäckig auf der Sommerzeit. Also genau richtig um in sommerlichen Erinnerungen an Bord von Jane zu schwelgen bevor sie morgen in die schützenden Hallen der Werft bewegt wird.
Doch erstmal gut 2 Monate zurück – nach einer entspannten Segelwoche in der dänischen Südsee, bin ich am 26.08. in Marstal zur letzten Etappe Richtung Kiel aufgebrochen. An diesem Tag war wieder einmal alles dabei – morgens Frühstück bei Gewitter und Regen – ab 13 Uhr dann Wetterbesserung so dass eine ganze Armada von Yachten Richtung Deutschland ausgelaufen ist.
Beim Ablegen noch ein prüfender Blick auf den behelfsmässig festgezurrten Burgkorb und erneutes Kopfschütteln über mein Malheur 2 Tage zuvor. Ich war von Ærøskøbing Richtung Marstal aufgebrochen – nach wie vor sehr starker und böiger Südost-Wind. Exakt die selbe Strecke bin ich eine Woche vorher gesegelt – Navigation also zu 100% klar und beste Sicht. Die Fahrwassertonne habe ich klar und deutlich gesehen – auch wie sie mir immer näher kam. Irgendwann der Moment in dem ich realisiert habe, dass Jane direkt darauf zusteuert. In der Erinnerung läuft das alles in Zeitlupe ab – der Moment in dem mir klar wurde, dass nur noch ein letztes Ausweichmanöver helfen könnte – notfalls direkt in die Sandbank neben der Tonne – doch auch das will nicht klappen. Das Boot reagiert nicht wie gewohnt. Zum Starten des Motors ist es zu spät. Da bleibt nur noch sehenden Auges den schmerzhaften Moment abzuwarten. Tonne trifft Bugkorb – dieser wird deutlich verbogen und mit seinen Schrauben aus der Verankerung gerissen. Die Tonne zieht wie ein kleines Wunder am Boot vorbei ohne weitere Dinge zu beschädigen – vermutlich hat der Versatz durch den „Einschlag“ am Bugkorb ausgereicht genug Abstand zu schaffen. Danach die wichtigsten Dinge prüfen – keine offensichtlichen Schäden – trotzdem erstmal nur weiter bis zum nächsten Hafen Marstal – zum zweiten Mal innerhalb einer Woche…Ein nasser Kreuzkurs durch das enge Fahrwasser zwischen den dänischen Inseln – man muss hier sehr genau aufpassen, dass man nicht in irgendeinem Tief landet, denn die betonnte Rinne ist nur einige 100 Meter breit und meist nur einseitig bzw. mittig betonnt. Die Entscheidung Marstal nochmals anzulaufen war auch vom Wetter her eine gute, denn kurz nach dem Anlegen schüttet es auch schon wieder wie aus Kübeln. Das Tonnen-Ramm-Manöver kann in meiner späteren Analyse nur einer starken Strömung zugerechnet werden, denn nur so lässt sich erklären, weshalb trotz guter Fahrt im Boot keinerlei Ruderwirkung beim Ausweichen vorhanden war.
Nun heute sollte es also möglichst direkt bis Kiel gehen, da das Wetterfenster ohne Regen und Gewitter nur für knapp 1 Tag angekündigt war und ich keine Lust darauf hatte noch weitere Tage in irgendeinem Ostsee-Hafen zu sitzen oder bei Starkregen die Reise zu beenden. Außerdem kam es mir ganz recht, dass noch ein paar Tage Zeitbudget offen waren – ich musste schliesslich noch nach Holland mein Auto holen, das Boot ausladen und hier in Kiel alles soweit klären, dass mein Boot bis zum Herbst und über den Winter hier bleiben kann, bevor ich Richtung Heimat aufbrechen konnte.
Der Wind war mal wieder nicht auf meiner Seite – er hatte ziemlich abgeflaut – also Genua statt Fock aufziehen – außerdem kam er noch deutlich weiter aus Süd-West als angekündigt und zwang mich somit eher auf die deutsche Ostküste Richtung Schlei als auf Kiel zuzuhalten, so dass ich verschiedene andere Häfen in Betracht zog als Tagesziel und auf ostdrehenden Wind hoffte.
Irgendwann gegen Abend dann kam die Winddrehung Richtung Ost und Kiel lag wieder in akzeptabler Reichweite, auch wenn klar war, dass es eine Fahrt in die Nacht werden würde. Aber egal – ich wollte einfach ankommen und war bereit nochmal alles zu geben. Auf dem Regenradar konnte ich sehen, dass die angekündigte Gewitterfront noch ausreichend entfernt war und vermutlich erst gegen 4 Uhr morgens Kiel erreichen würde. Der Wind legte stetig zu – also wieder aufs Vorschiff krabbeln und Genua gegen Fock tauschen – kurze Zeit später erneute Mast-Akrobatik zum Reffen des Grossegels. Dafür entlohnte eine beeindruckende Segelkulisse – sportliches Segeln hart am Wind mit Kiel Leuchtturm voraus – zahlreiche Großschiffahrt auf dem Weg von und nach Kiel und viele weitere Leuchtfeuer überall um mich herum. Den Weg in die Kieler Bucht weist ein lehrbuchmässiges Sektoren-Leuchtfeuer – schon beeindruckend wenn man an den unsichtbaren Küsten nur durch Lichtsignale geleitet vorbeisegelt.
Bei Einbruch der Dunkelheit noch ein kurzer Schock – das Backboard-Navi-Licht leuchtet nicht mehr und auch das Hecklicht will erst nicht. Also Pinne festzurren auf Amwind-Kurs, mit Schraubenzieher bewaffnet unter Deck und ich zerlege erstmal den elektrischen Verteilerkasten, prüfe die Verkabelung und reinige Kontakte – das Hecklicht geht daraufhin wieder – das BB-Navi-LED bleibt dunkel. Alles halb so wild – ich improvisiere mit meiner LED-Taschenlampe, die auch in Rot leuchten kann.
Gegen 3:30 Uhr ist es dann so weit – ich berge die Segel vor der Hafeneinfahrt Strande, starte den Motor und drehe entspannt und mit der Gewissheit angekommen zu sein ein paar Runden im Hafen bis ich einen freien Liegeplatz finde.
Die Reise ist hier erstmal zu Ende – Jane und ich sind ohne grössere Schäden und Probleme in Kiel eingetroffen! Den Moment lasse ich bei einem nächtlichen Spaziergang durch den Hafen, den nahen Strand und die Werft auf mich wirken.
So schliesst sich der Kreis, denn ich war im Februar schon einmal hier in Strande zu einem Holzboot-Workshop – exakt dort, wo Jane nun ihre temporäre Heimat gefunden hat.
In den kommenden Tagen dann Aufbruch per Bahn nach Holland – mit dem Auto zurück, alle wichtigen Dinge ausladen und es geht Richtung Heimat!