Nach 3 Tagen Vlieland und sehr windigem Wetter mit einigem Regen ist endlich Besserung in Sicht – der Wind nimmt ab und die Sonne kommt wieder zum Vorschein.
Ich trommle also schon mit den Fingern und will endlich wieder los! Zumal hier im Hafen gefühlte tausend Leute sind – meistens Familien mit vielen Kindern und entsprechender Trubel. Ich bevorzuge eher ruhige und urige Fischer- oder raue Industriehäfen. Auch wenn es hier in Vlieland an nichts fehlt – die Anlage ist wirklich gut in Schuss und man kann sich wohlfühlen. Aber es ist eben auch ein Stück weit Touristen-Troubel überall – sowohl am Hafen als auch im netten kleinen Dorf um die Ecke.
Auch der Hafenmeister gibt grünes Licht was das Wetter angeht für Donnerstag. Ich muss also nur noch eine geeignete Abfahrtszeit finden. Der nächste Sprung soll nach Borkum gehen. In die niederländische Wattensee will ich nicht weiter, denn da lauern viele Untiefen und man kommt nicht wirklich weit voran pro Tag. Ausserdem wartet der erste Mitsegler darauf an Bord zu kommen und das ist in Deutschland bedeutend einfacher als in den Niederlanden wegen den Zugverbindungen.
Borkum sind ca. 80 Seemeilen von Vlieland aus – mit gutem Wind in einer Nacht auf jeden Fall zu schaffen – also Planung so legen, dass bei der Ausfahrt aus Vlieland die Strömung mit mir läuft und in Borkum bei der Einfahrt möglichst ebenfalls. Ich beschliesse letztendlich um 19 Uhr loszusegeln, dann komme ich gegen Mittag in Borkum an – das wäre perfekt.
Da immer noch viel Wind und vor allem starker Wellengang herrscht, bereite ich alles für eine raue Fahrt vor – ein paar belegte Brote, ziehe gleich mein dickes Ölzeug an, lege die Gummistiefel bereit. Ablegen bei Stille im Hafen und noch gute Wünsche der Stegnachbarn, die mir beim Ausrangieren helfen – ganz schön eng hier und es wird Millimeterarbeit das Boot aus der Gasse zu manövrieren, weil in der Mitte der Boxengasse noch ein Päckchen aus drei Yachten liegt – aber es gelingt – auch wenn mich manche etwas skeptisch wohl aus Angst um ihre Boote beobachtet haben.
Draussen auf See erstmal alles ruhig – aber nicht lange – kaum bin ich um die Nordecke von Vlieland im berüchtigten Seegatt Stortemelk angelangt, spüre ich die volle Kraft des Meeres. Wellen deutlich höher als mein Boot rollen heran – aber Jane reitet sie alle elegant und sanft ab. Nur bewegen an Bord heisst für den Rest der Tour immer mit Sicherungsleine und zum Grossteil auf allen Vieren um nicht die Balance zu verlieren. Der Seegang ist hier sehr konfus, weil ablaufendes Wasser gegen den Wind läuft und ich freue mich schon auf das offene Meer mit mehr Ruhe. Und erneut eine Lektion im Segelalltag – bei diesen Bedingungen sollte man tunlichst vermeiden Abkürzungen über etwas flachere Stellen zu nehmen – beim ersten zaghaften Versuch rollt eine mind. 2 Meter hohe brechende Welle heran und das Boot fällt sehr hart in das dahinterliegende Wellental. Es geht nichts zu Bruch, aber es tut in der Seele weh – also zurück auf den richtigen Pfad und von allen flachen Stellen gut freihalten. Nun ist mir auch 100% klar, dass man bei noch etwas extremeren Bedingungen hier vermutlich nicht mehr heil herauskommt.
Nach gut 2 Stunden erreiche ich dann freieres Wasser und sofort werden die Wellen deutlich ruhiger und regelmässiger. Nach wie vor begleiten mich 2-3 Meter an Seegang bis zum Ziel – es wird also ein sehr sportlicher Trip mit viel Schaukeln und Wellen aussteuern – aber abgesehen von dieser einen bösen Welle kein Gefühl der Unsicherheit – nur etwas unkomfortabel ist es.
Der Wind ist optimal und ich kann mit 6-7 Knoten Durchschnitt an den Inseln vorbei Richtung Borkum flitzen. Diesmal eine dunkle Nacht – Wolken verdecken den Mond und die großen dunklen Wasserberge um mich herum wirken gespenstisch. Aber die Nacht ist nicht lang – ab 3:30 Uhr dämmert es schon wieder und um 4:00 Uhr ist es fast schon wieder hell – ab 06:00 Uhr muss ich die Sonnencreme auspacken.
Dann am Morgen ein kurzer Moment des Schreckens – in meiner Bilge stehen gut 20cm Wasser – das hat es bisher noch nicht gegeben. Zuerst befürchte ich, dass vielleicht bei dem harten Fall aufs Wasser am Anfang der Etappe etwas passiert sein könnte, aber nachdem das Wasser ausgepumpt ist, kommt kein neues nach. Die Ursache ist vermutlich der Deckel der hinteren Backskiste, der nicht 100% dicht ist und da viele Wellen über das Deck kamen, ist dort einfach eine Menge Wasser reingelaufen.
Langsam nähere ich mich dem Seegatt von Borkum – doch auch diesmal wird meine Zeitplanung über den Haufen geworfen – ich verzehre gerade meine Frühstücks-Ration – da kommt sie auch schon die „Frühstücks-Flaute“. Und das Schlimmste ist der hohe Seegang. Er bringt das Boot so extrem zum Schaukeln, dass die Segel bei wenig Wind nichts mehr bewirken sondern nur noch hin- und herschlagen. Und das noch gut 25 Meilen vor dem Ziel – denn Borkum ist von See aus recht weit entfernt – man passiert eines der Seegatten und läuft dann die Ems-Mündung noch ein gutes Stück entlang.
Um mich herum auch andere Boote mit ähnlichen Schwierigkeiten und irgendwann endet jeder bei der Lösung frustriert die Segel zu bergen und den Motor anzuwerfen. Für mich auch keine andere Option, will ich nicht noch weitere 20 Stunden auf meinem Boot sitze. Da ich schon über 12 Stunden ausharre, will ich das im Moment sicher nicht.
Also quäle ich meinen guten alten Diesel heute mal wieder und motore die restlichen Meilen in gut 4 Stunden zum Hafen – eine sehr eintönige Tätigkeit – denn das Boot rollt fürchterlich in den hohen Wellenbergen, wenn die stabilisierende Wirkung der Segel fehlt. Zwischendurch gestatte ich mir immer mal wieder einen Sekundenschlaf – das ist auf dem Boot nicht so gefährlich wie beim Autofahren, da man ja nicht so schnell unterwegs ist – hilft aber tatsächlich die Müdigkeit halbwegs in den Griff zu bekommen.
Auf der Ems herrscht viel Schiffsverkehr dem es auszuweichen gilt – ansonsten nichts Spannendes bis zur lange ersehnten Ankunft nach knapp 90 Meilen und über 20 Stunden Segelzeit im Schutzhafen von Borkum. Netter Empfang durch den Hafenmeister, der mir beim Anlegen hilft und dann erstmal ein kühles Bier und SCHLAFEN!!!
Fazit – eine super Segelnacht mit vielen neuen Eindrücken, Erfahrungen und Herausforderungen – außerdem ist Deutschland erreicht und die Niederlande liegen hinter mir – ein weiterer Meilenstein auf meiner Reise!
Bilder gibts nur vom letzten Stück nach Borkum – davor war es mir zu riskant das iPhone in die Hände zu nehmen 😉
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